Die Nachtmeerfahrt

Abenteuerliche Fahrt über ein nicht kalkulierbares, unbeherrschbares Meer

C.G. Jung und die Nachtmeerfahrt

C.G. Jung (1875 – 1961) war ein Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie. „Von 1914-1918 machte C.G. Jung eine schwere Lebenskrise durch, die er auch Nachtmeerfahrt nannte. Während dieser Krise entwickelte er die Methoden der Tiefenpsychologie  und wandte sie auf sich selbst an: Schreiben, Malen, Yoga, Traumarbeit und aktive Imagination, die Suche nach inneren Bildern, sowie innere Dialoge und eine Auseinandersetzung mit mystischen Inhalten des kollektiven Unbewussten“. (Zitiert aus „Das Meer und Apulien“). Der besondere Umgang C.G. Jung’s mit seiner prägenden Krise war auch inspiriert von der mythologischen Geschichte der Sonnenbarke aus dem alten Ägypten. 

Mehr als ein Durchkommen

Die Nachtmeerfahrt ist eine abenteuerliche Fahrt über ein kaum kalkulierbares, unbeherrschbares und extrem herausforderndes Meer. Begleitet durch die Angst, die herausfordernde Situation nicht beherrschen zu können, in der Dunkelheit mit all ihren Gefahren die Orientierung zu verlieren, allein und ausgeliefert zu sein. Da steht zuerst das Durchkommen im Zentrum. Eine solche Nachtmeerfahrt ist aber weitaus mehr als blosses Durchkommen. Auf dieser abenteuerlichen Fahrt erweitern sich die Bewusstseinsräume und es werden schlummernde Fähigkeiten und Potenziale aktiviert. Die vielfältigen neuen Herausforderungen ermöglichen neue Betrachtungsweisen- und Lösungen. Zuvor Unbewusstes und Undenkbares wird möglich. Eine lohnende Nachtmeerfahrt. 

Krisen beeinflussen Gedanken, Handlungen und auch Entwicklungen

Krisen haben verschiedene Gesichter. Krisen werden je nach Person und Situation unterschiedlich wahrgenommen, verdrängt, aktiv angepackt oder ausgesessen. Die gegenwärtige komplexe Situation und die Auswirkung der Corona-Pandemie werden entsprechend unterschiedlich wahrgenommen, thematisiert und behandelt. Unbestritten ist, dass diese Pandemie und ihre Auswirkungen viele Themen und deren Gewichtung und Behandlung in Gesellschaft und Wirtschaft massgeblich beeinflusst. 

Nachtmeerfahrt im unternehmerischen Kontext

Viele Unternehmen und Branchen sind aktuell an verschiedenen Fronten herausgefordert. Hier nur ein paar Beispiele, die wir in unserer Arbeit mit unseren Kunden antreffen. Muss die Strategie angepasst werden? Unterstützen unsere Kulturwerte den Umgang mit der Krise? Wie gehen wir mit den grossen und teilweise psychischen Belastungen unserer Mitarbeiter um? Wie gestalten wir die Homeoffice-Arbeit, jetzt und nach der Pandemie? Wie gehen wir mit finanziellen Engpässen um? Welche Chancen erkennen wir in der Krise? Was können wir tun, um die Resilienz von Führung und Mitarbeitern zu stärken? Welche Skills und Haltungen unserer Führungskräfte müssen auf den Prüfstand gestellt werden ? Jetzt gilt es, diese unabwendbare Nachtmeerfahrt zu nutzen, zu analysieren, Lösungen zu erkennen, gründlich zu planen und die Erkenntnisse umzusetzen.

Durchkommen ist wichtig und richtig – Weiterentwicklung auch

Nur weil der Spruch „Krisen beinhalten auch Chancen“ abgegriffen ist, heisst es nicht, dass er nicht richtig ist. Die Frage ist nur, wie kann es gelingen, gestärkt aus einer Krise hervorzugehen. Sicher, in erster Linie geht es darum, Klarheit über die Bedrohungen zu bekommen und mit geeigneten kurzfristigen Massnahmen ein Durchkommen sicherzustellen und damit die Basis für die weitere Zukunftsgestaltung zu legen. Gerade mitder Bereitschaft, Dinge von einer anderen Seite her zu betrachten, festgefahrene Normen und Werte in Frage zu stellen, neue Räume zu betreten und verdeckten Potenzialen und Ressourcen eine Chance zu geben werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, sowohl das Durchkommen und die Weiterentwicklung zu sichern.

Fazit

C.G. Jung nannte seine Lebenskrise in den Jahren 1914-1918 Nachtmeerfahrt. Und hat daraus mit verschiedenen Techniken und Massnahmen sich selbst und seine von ihm vertretenen Theorien und Philosophien massgeblich weiter entwickelt. Ging also gestärkt aus dieser Fahrt hervor. Auch wenn heute viele Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter die ihnen bevorstehende oder bereits stattfindende Nachtmeerfahrt nicht wirklich freiwillig starten und machen – mit der dafür notwendigen Bereitschaft, sich auf das Abenteuer einzulassen und der Lust, neue Räume zu betreten, lassen sich nicht nur anstehende Krisen und Herausforderungen leichter angehen, sondern es können auch unerwartete Entwicklungsschritte gemacht werden. Und in einem Unternehmen kann man diese Reise gemeinsam angehen.


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Robert Müller

rm@compagon.com